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Soziale Landwirtschaft
mit Menschen mit körperlichen Behinderungen


Überblick

→ Häufige körperliche Beeinträchtigungen

Zerebralparese: Wird hauptsächlich durch pränatale, peri- oder postnatale Zustände oder durch Hirnverletzungen, Infektionen und degenerative Erkrankungen verursacht. Es gibt verschiedene Formen der Zerebralparese, abhängig vom Teil des Gehirns, der geschädigt ist.
Querschnittslähmung: Sie kann durch viele Krankheiten verursacht werden, aber die häufigste Ursache ist eine Rückenmarksverletzung, die durch Autounfälle, Verletzungen beim Extremsport usw. entsteht. Der Gesundheitszustand und die motorischen Fähigkeiten hängen vom Ausmaß der Schädigung des Rückenmarks und auch von der Lage der Schädigung ab.
Spina bifida: Diese Beeinträchtigung ist von Geburt an vorhanden und tritt auf, wenn sich die Wirbelsäule und das Rückenmark nicht richtig bilden. Amputation: Verlust eines oder mehrerer Körperteile aufgrund von Unfällen, Verletzungen, Infektionen usw.
Muskeldystrophie: Eine fortschreitende Erkrankung, die mit dem Verlust von Muskelgewebe und einer Abnahme der Muskelkraft einhergeht. Sie hat eine genetische Grundlage und die motorischen Fähigkeiten einer Person verschlechtern sich im Laufe der Zeit allmählich.


Was kann (und sollte) ein Hof mit Sozialer Landwirtschaft Menschen mit körperlichen Behinderungen anbieten?

Generell für (die meisten) Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen von Bedeutung

"Hier... fühle ich mich gut. Hier fühle ich mich zum ersten Mal wie ein wertvoller Teil der Gesellschaft." *

  • Akzeptanz und das Gefühl als Mensch wahrgenommen zu werden, nicht nur als Mensch mit einer Behinderung
  • die Möglichkeit, ähnliche Erfahrungen wie ihre Altersgenossen zu machen: die Nutzung von Maschinen, das Fahren auf dem Traktor, gemeinsames Mittagessen und Gespräche während der Arbeit
  • bedeutungsvolle Arbeit und die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten
  • soziale Verbindungen, Freundschaft und Gemeinschaftsgefühl
  • verbessertes psychisches Wohlbefinden und weniger negative Gefühle wie Wut, Depression, Stress und Müdigkeit
  • Ein nicht-klinischer und entspannter, informeller und gemütlicher Ort
  • Die Möglichkeit, mit Tieren zu interagieren, pflegen statt eher selbst gepflegt zu werden
  • Lernen durch praktische Tätigkeiten
  • Neue Klänge, Gerüche, Aussichten, das Fühlen von Dingen – von diesen positiven sinnlichen Erfahrungen kann fast jeder Mensch in der Natur profitieren, unabhängig von der Schwere einer Beeinträchtigung
  • Eine Chance, Unabhängigkeit und Fähigkeiten zu steigern
  • Spaß!

Für Menschen, die nicht mit einer körperlichen Beeinträchtigung geboren wurden Es kann einige Zeit dauern, sich an die emotionalen und physischen Herausforderungen anzupassen, die eine Behinderung mit sich bringt. Gefühle von Hilflosigkeit, Angst, Frustration und Selbstmitleid treten dabei häufig auf. Auf dem Bauernhof bietet sich die Möglichkeit, Fähigkeiten und Kenntnisse bei praktischen und nützlichen Tätigkeiten einzusetzen und selbst zu erkennen - statt gesagt zu bekommen -, dass man sich (immer noch) einbringen kann. Statt nur über den eigenen Zustand nachzudenken, erkennen Menschen, die in der Landwirtschaft aktiv sind, dass Tiere und Pflanzen von ihrer Arbeit abhängen. Dies wiederum kann zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls führen.
Für Menschen, die mit einer körperlichen Beeinträchtigung geboren wurden Das Leben im natürlichen Rhythmus der Jahreszeiten bedeutet Stabilität. Dabei ist es möglich, einen Hof und seine Umgebung sowohl allein, als auch in Gruppen zu erleben. Soziale Landwirtschaft bedeutet Zeit zum Beobachten, um sich bei der Arbeit einzubringen, um seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln und mehr Unabhängigkeit zu gewinnen.
Für junge Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen

"Für Jungs im Rollstuhl ist es wichtig, dass sie Holz mit einer Axt hacken können und sich wie "normale" Jungs fühlen können. “*

Für junge Menschen bedeutet eine körperliche Beeinträchtigung oft Einschränkungen, sowohl im Alltag, als auch bei der sozialen Teilhabe. Hürden existieren beim Finden einer passenden Ausbildung oder Anstellung, Freizeitaktivitäten sowie beim Thema Mobilität. Zudem haben sie möglicherweise weniger Erfahrung mit intimen Beziehungen. Viele Dinge, welche für andere Teenager normal sind, sind für junge Menschen mit körperlichen Behinderungen schwieriger zu realisieren, sei es das Treffen anderer Jugendliche, an für Jugendliche typischen Orten oder Veranstaltungen oder das Finden eines Jobs wie Babysitting. Die Lebensqualität von Jugendlichen mit körperlichen Beeinträchtigungen ist häufig durch chronische Schmerzen gemindert, oft haben sie eine schlechtere Fitness, leiden stärker unter Müdigkeit oder zeigen überdurchschnittlich oft depressive und andere stressbedingte Symptome. Höfe mit Angeboten in der Sozialen Landwirtschaft ermöglichen es, unterschiedliche Menschen zu treffen und eine Welt außerhalb der eigenen Grenzen zu erleben. Hier können Jugendliche zumindest teilweise die selben Erfahrungen wie Jugendliche ohne Behinderung machen. Der Mehrwert, welchen die Soziale Landwirtschaft im Allgemeinen für die psychische Gesundheit darstellt, ist hier besonders sichtbar.

Welcher Ansatz?

Würde und Respekt
Alle erwachsenen Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen müssen als Erwachsene behandelt werden. Das bedeutet, respektvoll, höflich und freundlich zu sein, wenn man ihnen hilft. Es bedeutet auch, die Würde der Person zu wahren, indem man auf Privatsphäre achtet, Vertraulichkeit respektiert, ihre Entscheidungen einbezieht, ihre Rechte respektiert und ihre Unterschiede wertschätzt. Denke immer daran, die Person zu sehen und nicht die Beeinträchtigung.

Sich vertraut machen und Ziele setzen
Bevor ein Mensch auf den Hof kommt, sollte eruiert werden, welche Möglichkeiten für diese Person bestehen. Kann er/ sie sich frei genug auf dem Bauernhof bewegen oder müssen Umbauten vorgenommen werden? Welche Aktivitäten kann die Person ausführen und was ist langfristig möglich? Eine solche Einschätzung erfolgt im besten Fall vor Ort, verbunden mit einer ausführlichen Tour über den Bauernhof. Danach sollte vor allem die Selbstbestimmung gefördert werden, indem man Menschen ermutigt, ihre eigenen Ziele zu setzen. Gleichzeitig muss man einen Weg finden, wie diese Ziele im allgemeinen landwirtschaftlichen Betriebsablauf integriert werden können.

Flexibilität
Arbeitsvereinbarungen können und sollten kontinuierlich an die individuellen Herausforderungen und Fähigkeiten angepasst werden. Die Rotation von Tätigkeiten, angepasste Arbeitszeiten und die Möglichkeit sowohl individueller als auch teamorientierter Arbeit können in Betracht gezogen werden. Mittels Ausprobieren kann man herausfinden, was ein Mensch kann und was nicht. Dabei ist es oft auch eine Frage der Kreativität, wie man Arbeitsabläufe anpasst, damit sie den Bedürfnissen eines Menschen gerecht werden.

Geduld und Zeit
Oft geht es darum, ein ausgeglichenes Verhältnis zu schaffen: Zum einen muss man mit der Arbeit vorankommen, zum anderen braucht es Unterstützung für die Mitarbeitenden mit Behinderung, wobei es vor allem darauf ankommt, in einem angenehmen Tempo zu arbeiten. Für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen spielt ein geringerer Arbeitsdruck eine wichtige Rolle, da ihre Arbeitskapazität, je nach Behinderung, begrenzt sein kann. In diesem Fall ist es wichtig, ausreichend Zeit zu gewährleisten, damit Aufgaben möglichst selbstständig erledigt werden können. In der Konsequenz führt dies häufig dazu, dass Menschen auch weiterhin eher dazu bereit sind, selbstständig zu Arbeiten und Wege zu finden, wie sie Aufgaben bewältigen können. Menschen zu etwas zu drängen, das sie möglicherweise nicht bewältigen können, wirkt sich hingegen meist negativ aus und löst Schuldgefühle oder das Gefühl, versagt zu haben, aus.

Grenzen und Herausforderungen kennen
Es ist wichtig, Gefahren und Herausforderungen zu kennen, welche die Landwirtschaft (für Menschen mit Behinderung) mit sich bringt:


Welche Tätigkeiten?

Alltägliche Tätigkeiten/Aufgaben
Hier braucht es kein kompliziertes Konzept. Einfache und alltägliche Aktivitäten, mit denen sich die Menschen sicher fühlen, sollten die Zeit auf dem Bauernhof bestimmen. Es ist wichtig, dass die Menschen ihre Arbeit genießen und dass die Arbeit, die sie tun, tatsächlich nützlich ist, z. B. das Füttern der Schafe, das Sammeln von Eiern, das Aussäen von Saatgut, das Bürsten des Ponys.

Tätigkeiten, die unabhängig durchgeführt werden können oder die Unabhängigkeit fördern
Dies ist eines der wichtigsten Ziele, da dies oft eine Lücke im Leben von Menschen mit Beeinträchtigungen darstellt. Menschen sollten ermutigt werden, Dinge auszuprobieren, sich an der Planung und Entscheidungsfindung zu beteiligen, ihre Komfortzone zu verlassen und Dinge, soweit möglich, selbstständig zu erledigen. Die nachstehend beschriebenen Anpassungen können dies unterstützen.

Tätigkeiten, welche die körperliche Stärke, Fitness und Leistungsfähigkeit fördern
Eventuell kommen Menschen zu Ihnen, deren Fitness und körperliche Gesundheit schlecht sind. In diesem Fall gibt es in der Landwirtschaft hervorragende Möglichkeiten, um sanft die Fitness, Kraft und Beweglichkeit aufzubauen, ohne dass die Teilnehmenden dies überhaupt als Sport oder Training empfinden. Man könnte es als "Physiotherapie auf dem Bauernhof" betrachten. Beugen, Dehnen, Heben, Drücken, sich mit alltäglichen landwirtschaftlichen Geräten hochziehen, wenn möglich, bergauf gehen und auf unebenem Gelände laufen (für diejenigen, die nicht im Rollstuhl sitzen) – all das kann im Laufe der Zeit einen großen Unterschied machen.

Anpassungen

Insbesondere, wenn mobilitätseingeschränkte Personen den Hof besuchen, können Umbauten notwendig werden. Dabei können auch andere Besucher*innen des Hofes oder auch Familienmitglieder von solchen Anpassungen profitieren. Das übergeordnete Ziel ist es, dass die Menschen sich auf dem Bauernhof so uneingeschränkt und unabhängig wie möglich bewegen und arbeiten können. Sie sollten möglichst selten mit Barrieren, Dingen, die sie nicht tun können, oder Orten, an die sie nicht gehen können, konfrontiert werden. Bei Umbauten und anderen Anpassungen sollten Sie mit den entsprechenden Personen zusammen arbeiten. Beispiele für solche Umbauten/Anpassungen sind:

"Wir haben einen Mitarbeiter, der einen Rollator benötigt. Er führt Aktivitäten durch, bei denen er im Sitzen arbeiten kann, zum Beispiel das Pflanzen von Tomaten im Gewächshaus. “*