Geflüchtete sind Menschen, die vor Krieg, Gewalt, Konflikten oder Verfolgung geflohen und über eine (internationale) Grenze geflüchtet sind, um dort Sicherheit zu finden. Oft sind sie gezwungen ihren Besitz, ihre Arbeit und geliebte Menschen zurückzulassen und mit nichts weiter als ihrer Kleidung am Leibe zu fliehen.Sie wissen in der Regel nicht, ob und wann sie jemals in ihr altes Leben zurückkehren können. Laut Schätzungen des UNHCR gab es im Jahr 2022 weltweit 103 Millionen Vertriebene, darunter 32,5 Millionen Flüchtlinge. Die Zahl der Vertriebenen in der Welt nimmt stetig zu, wobei ökologische Katastrophen und der Klimawandel zunehmend ursächlich für das Verlassen der Heimat sind. Obwohl wir in diesem Leitfaden hauptsächlich den Begriff "Geflüchtete" verwenden, gilt das meiste auch für Vertriebene, die nicht zwingend einen offiziellen Flüchtlingsstatus haben.
→ Spracherwerb
→ Geld verdienen
→ heilsame Wirkung der Natur/mentalr Gesundheit
→ Soziale Inklusion
→ Wahl
→ kultureller Austausch
→ sinnstiftende Tätigkeit
→ Spracherwerb
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Unterstützung von Menschen beim Wiederaufbau ihres Lebens in einer neuen Umgebung und beim Umgang mit den spezifischen Herausforderungen, denen sie gegenüberstehen.
Bezahlte Arbeit
Viele geflohene Menschen sind auf der Suche nach bezahlter Arbeit. Diese können auf verschiedenste Weise hierbei unterstützt werden. Die Soziale Landwirtschaft kann:
Sprachkenntnisse
In der Landwirtschaft haben Menschen die Möglichkeit, Wörter
und Ausdrücke aufzuschnappen und in einer ungezwungenen und informellen Weise, Fragen zu stellen. Es sollte Raum zum Üben und Fehler machen geben. Ebenso sollten sie Unterstützung erhalten, um den Wortschatz zu lernen, den sie benötigen.
Geduld und gute Laune sind hilfreich. Ebenso kann es hilfreich sein, einige wichtige Ausdrücke in der Sprache der Menschen, die auf den Hof kommen, zu lernen.
„Der Bauernhof bietet eine großartige Möglichkeit, Deutsch in einer natürlichen Umgebung zu lernen. Man kann Wörter aufnehmen, indem man Dinge sieht und darauf zeigt... Beim Erlernen einer Sprache ist sehr hilfreich, wenn man sehen und riechen kann.“*
Inklusion
Der Kontakt zur eigenen Familie, Nachbarn und Freund*innen kann zur Inklusion beitragen. Gemeinsame Ausflüge in Geschäfte, Cafés und andere Orte können ebenfalls eine Möglichkeit sein, die Teilnehmenden einzubinden. Darüber hinaus können Sie Ihre eigenen Kenntnisse über die Region nutzen, um Aktivitäten und Unterstützungsmöglichkeiten vorzuschlagen. Dies kann den Teilnehmenden helfen, sich willkommen zu fühlen und soziale Beziehungen aufzubauen.
Heilsame Wirkung der Natur
Der Fokus sollte auf Tätigkeiten liegen, bei denen eine Verbindung zu Pflanzen und Tieren hergestellt wird, die an der frischen Luft stattfinden und bei denen man mit der Erde in Kontakt kommt. Durch landwirtschaftliche Arbeit fühlt sich ein Mensch auf positive Art müde. Durch ruhiges und stressfreies Arbeiten in der Natur erhalten Menschen die Möglichkeit, ihren Geist zur Ruhe kommen zu lassen, sich zu erholen und möglicherweise sogar von Traumata zu genesen.
Kultureller Austausch
Der gegenseitige Austausch von Traditionen, religiösen Überzeugungen und Speisen ist für alle Seiten ein interessanter und bereichernder Teil der Sozialen Landwirtschaft. Sie können die Teilnehmenden dabei unterstützen, Einblicke in den Alltag und das Familienleben gewinnen und kulturelle Werte zu verstehen. So können Sie zum Beispiel erklären, warum ein bevorstehendes Fest wichtig ist und wie es gefeiert wird. Wenn Menschen Dinge auf eine Art und Weise tun, die hier eher negativ gesehen werden, so können Sie dies behutsam ansprechen oder alternative Handlungsweisen vorschlagen.
Die Arbeit mit Geflüchteten bedeutet, mit Menschen zu arbeiten, die in der Regel viel durchgemacht haben. Landwirt*innen können diese Probleme nicht "lösen", aber sie können sensibel und freundlich mit den Menschen umgehen und einen Ort der Wärme, Sicherheit und Akzeptanz bieten.
Sie werden mit Menschen aus verschiedenen Kulturen, Sprachen und Hintergründen arbeiten. Es ist wichtig, eine Person nicht aufgrund ihres Herkunftslandes zu stereotypisieren, sondern offen, neugierig und tolerant gegenüber Unterschieden zu bleiben.
→ Trauer und Überlebensschuld
Oft werden geflüchtete Menschen mit komplexen und schwierigen Gefühlen konfrontiert. Sie haben eine Flucht erlebt. Das bedeutet zudem oftmals, dass sie Zeit in Flüchtlingslagern verbracht haben. Sie haben ihr früheres Leben, ihre Normalität verloren. Möglicherweise müssen geflüchtete Menschen mit Trauer und dem Gefühl umgehen, überlebt zu haben. Sie könnten um das Wohlergehen ihrer Freunde oder Familienmitglieder fürchten oder in einigen Fällen auch Angst vor ihrer eigenen Abschiebung haben.
→ Verschiedene kulturelle Hintergründe
Viele Geflüchtete möchten eine Verbindung zu ihrer Herkunftskultur aufrechterhalten, die sie nicht freiwillig verlassen haben. Das bedeutet, ihre Muttersprache sprechen zu können, vertraute Speisen zu essen und sich mit anderen Menschen aus ihrem eigenen Land oder ihrer eigenen Kultur zu verbinden. Sie können Schwierigkeiten haben, sich in eine andere Kultur zu integrieren oder mit ihrem Identitätsgefühl kämpfen. Häufig stellt sich die Frage: Wo gehören sie jetzt hin?
→ Geschlechterrollen
Geschlechterrollen und -normen können sich von dem unterscheiden, was sie gewohnt sind, und können auch vom familiären Hintergrund, der Lebensphase usw. abhängen. In einigen Fällen fühlen sich weibliche Teilnehmerinnen möglicherweise eher wohl, wenn sie mit einer Landwirtin zusammenarbeiten, während es einigen Männern ggf. schwer fällt, Anweisungen von einer Frau entgegenzunehmen. Frauen sind oft stärker im Haushalt oder der Betreuung von Kindern eingebunden und somit schwerer für Angebote der Sozialen Landwirtschaft zu erreichen.
Die Erfahrungen von Krieg, Flucht und dem Leben davor unterscheiden sich je nach Geschlecht. Frauen könnten zusätzlich Ausbeutung und sexuellen Missbrauch erfahren haben, während Männer möglicherweise in Kampfhandlungen involviert waren.
Dies sind Risiken, die mit politischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu tun haben. Sie und die Teilnehmenden haben möglicherweise wenig Einfluss auf diese oder spielen nur eine geringe Rolle bei deren Bewältigung.
→ Bürokratische und rechtliche Hürden
Ein unklarer Aufenthaltsstatus kann eine Hürde für Integration und Teilnahme an einem Sozialen Landwirtschaftsangebot darstellen. Teilnehmende können Schwierigkeiten haben, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Das kann zu Frustration führen, da sie unter diesen Umständen keine bezahlte Arbeit ausführen dürfen, auch wenn es für beide Seiten von Vorteil wäre. Ebenso können Schwierigkeiten bei der Akquise von Fördermitteln für diese Gruppe auftreten.
→ Rassismus und Vorurteile
Rassismus und Vorurteile in der breiteren Gesellschaft sind für Geflüchtete und Menschen, welche diese unterstützen, herausfordernd. Es ist wichtig, dass Sie eine klare Position einnehmen. Allein, dass Menschen aus anderen Ländern bei Ihnen willkommen geheißen werden, kann dazu beitragen, Vorurteile bei Anderen zu überwinden.
→ Transport
Ohne ein Auto oder öffentliche Verkehrsmittel können Teilnehmende Schwierigkeiten haben zum Hof zu gelangen. Landwirt*innen könnten diese Lücke schließen, indem sie den Transport mit übernehmen.
Bei dieser Zielgruppe kann es spezifische Probleme mit Traumata geben. Die folgenden Informationen können jedoch auch für die Arbeit mit anderen Gruppen nützlich sein. Dazu gehören Menschen mit psychischen Herausforderungen, Menschen, die Obdachlosenund Suchtberatungsdienste in Anspruch nehmen, und andere Personen, die Traumata erlebt haben.
Fluchterfahrung und Traumata
Nicht jede*r Geflüchtete wird an einer posttraumatischer Belastungsstörung leiden, aber viele sind emotional durch ihre Erfahrungen herausgefordert. Sehr oft haben Geflüchtete Gewalt, den Verlust von geliebten Menschen und andere traumatische Ereignisse im Zuge von Krieg, Umweltkatastrophen oder der Flucht erlebt. Trauma-informierte Betreuung verlagert den Fokus von "Was stimmt nicht mit dir?" auf "Was ist dir passiert?" und erkennt an, dass wir ein vollständiges Bild von der Lebenssituation einer Person - Vergangenheit und Gegenwart - haben müssen, um einen heilenden Ansatz anzubieten.
Kann die Soziale Landwirtschaft eine Rolle bei der Bewältigung von Traumata spielen?
Die Soziale Landwirtschaft kann definitiv eine Rolle dabei spielen, die psychischen Auswirkungen einer traumatischen Erfahrung zu verringern. Eine Person kann sich stabilisieren, indem sie widerstandsfähiger wird, was durch Faktoren wie eine positive Einstellung, ein starkes Selbstwertgefühl, ein sinnvolles Alltagsleben, die Möglichkeit einer bezahlten Arbeit, Religiosität, regelmäßiger Schulbesuch, einen strukturierten Tages- und Wochenablauf, soziale Kontakte, persönliche Verantwortung, Bildung und schulischen Erfolg, erreicht werden kann. Die Soziale Landwirtschaft kann Menschen dabei unterstützen, viele dieser Schutzfaktoren umzusetzen.
Traumatisierung ist ein komplexes Thema, oftmals tritt die Reaktion auf traumatische Erfahrungen erst Jahre später auf. Das bedeutet, dass eine Person, die stabil erscheint, plötzlich mit Problemen zu kämpfen hat. Ein*e Landwirt*in ist kein*e ausgebildete*r Therapeut*in und muss seine/ihre Grenzen kennen. Gleichzeitig sollten die Anzeichen von Traumatisierung erkannt werden, um gegebenenfalls Fachdienste einzubeziehen oder zu konsultieren. Deshalb ist es hilfreich, sich der wesentlichen Merkmale und Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung bewusst zu sein.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine akute, chronische oder verzögerte Reaktion auf ein Trauma. Es handelt sich um eine Angststörung, die als Reaktion auf traumatische Ereignisse wie körperliche Verletzungen oder schwere psychische oder emotionale Belastungen auftritt. Beispiele hierfür sind militärische Kampfeinsätze, gewaltsame Übergriffe, Naturkatastrophen oder andere lebensbedrohliche Ereignisse.
PTBS tritt bei verschiedenen Menschen zu unterschiedlichen Zeiten auf. Anzeichen von PTBS können kurz nach einem beängstigenden Ereignis beginnen und dann fortbestehen. Bei anderen Menschen treten neue oder schwerere Symptome möglicherweise erst Monate oder sogar Jahre später auf. Symptome, auf die Sie bei den Menschen, die Sie unterstützen, achten können, umfassen:
→ Schwierigkeiten dabei, sich zu konzentrieren oder Aufgaben zu erledigen
→ extreme Wachsamkeit oder sogenannte "Hypervigilanz"
→ Nervösität, leichte Erschreckbarkeit
→ sie wirken distanziert oder wütend
→ sie berichten von Flashbacks oder haben das Gefühl, dass das Ereignis erneut passiert
→ sie berichten, dass sie Probleme beim Schlafen oder Albträume haben
→ Symptome wie übermäßiges Schwitzen, Zittern oder Übelkeit
→ sie äußern kontinuierlich Sorgen oder Schuldgefühle
Alle Zitate stammen aus Interviews mit erfahrenen Landwirt*innen der Sozialen Landwirtschat, die im Rahmen des SoFarTEAM-Projekts durchgeführt wurden.
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